Bild nicht mehr verfügbar.

"In den Krankenhäusern sind weder Ärzte noch Pflegende auf die verwirrten Patienten eingestellt, und sie sind unzureichend ausgebildet", sagt Geriater Ingo Füsgen.

Foto: APA/BARBARA GINDL

30 Prozent aller Patienten in Krankenhäusern leiden unter Hirnleistungsstörungen/Demenz, 50 Prozent aller älterer Patienten in geriatrisch spezialisierten Krankenhausabteilungen leiden unter Demenz beziehungsweise kognitiven Störungen.

"Die Krankenhäuser sind nicht auf diese Patientengruppe eingestellt", sagt Ingo Füsgen, Geriater der Universität Witten/Herdecke, im Rahmen einer Studie, die er mit Dag Schütz, Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Geriatrie, veröffentlicht hat.

"Alle gehen davon aus, dass es sich um ein vorwiegend pflegerisches Problem handelt, was aber nur teilweise zutrifft. Es betrifft die gesamte medizinische Diagnostik, Therapie und Frührehabilitation", beschreibt Füsgen die Ursachen des Missstandes. Bedenken müsse man auch, dass beim bisherigen Umgang mit dieser Patientengruppe einerseits die betroffenen Patienten schlecht versorgt seien, andererseits unnötige Kosten auf den Krankenhausbereich zukommen würden.

Einbahnstraße in ein Pflegeheim

Patienten mit Demenzerscheinungen bleiben bis zu sieben Tage länger im Krankenhaus. Die Krankenhäuser bekommen aber für alle Patienten, ob mit Demenz oder ohne, die gleiche Fallpauschale für deren Behandlung.

"Für diese Patienten mit kognitiven Störungen wird der Aufenthalt zu einer Einbahnstraße in ein Pflegeheim, weil die Untersuchungen und Behandlungen die Verwirrung weiter steigern können. Man kann von einer nicht bedarfsgerechten Versorgung der Patienten sprechen", interpretiert Füsgen das Ergebnis einer deutschlandweiten Befragung von rund 133 Pflegedirektionen in deutschen Krankenhäusern.

"Niemand sieht hin"

"Das Personal kann mit den kognitiven Störungen nicht richtig umgehen. Da läuft etwas im Gesundheitssystem schief und niemand sieht hin", warnt er vor den finanziellen Folgen für die Kassen und die Gesellschaft.

Weder Ärzte noch Pflegende in den Krankenhäusern seien auf die verwirrten Patienten eingestellt noch dementsprechend ausgebildet. Füsgen: "Deshalb steigern sie die Verwirrung oft noch und die Patienten müssen ins Pflegeheim. Das ist für die Patienten und die Angehörigen schlimm, aber auch für die Gesellschaft, die die Kosten tragen muss."

Deshalb fordert der Geriatrie-Experte folgende Maßnahmen: spezielle Weiterbildungen für Ärzte und Pflegende im Umgang mit Demenzpatienten, die Erfassung des Risikopotentials bereits bei der Aufnahme sowie Anpassungen in der Stellenausstattung und bei den Fallpauschalen. (red, derStandard.at, 19.6.2012)