Seit einem Jahr lebt die zweijährige Signalhündin Cora bei Manfred Schütz.

Foto: derStandard.at/Julia Schilly

Schütz, dessen Partner und Cora sind ein eingespieltes Team.

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Auf der Straße trägt Cora gut sichtbar ihre Kenndecke. Seither gibt es weniger Diskussionen, wenn der Hund keinen Maulkorb und keine Leine trägt.

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Ein Signalhund zeigt zum Beispiel, dass der Wecker läutet, jemand an der Tür klingelt oder eine SMS empfangen wurde.

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Cora kann sogar Münzen, die unbemerkt auf den Boden gefallen sind, wieder aufheben.

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Manchmal zeigt der Hund auch an, wenn er selbst etwas erlernen will, zum Beispiel, wann das Toastbrot aus dem Toaster springt. Cora schaltet zudem das Licht aus und ein.

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Perfekte Gastgeberin: Für die Gäste gibt es eine Packung Mannerschnitten.

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Fortschrittlich: Die neue App der ÖBB für den Ticketkauf enthält den Auswahlpunkt "Assistenzhund".

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In einem Supermarkt im ersten Wiener Gemeindebezirk kennt man Manfred Schütz und Cora schon. Das liegt vor allem daran, dass seine schwarze Hündin nicht draußen wartet, sondern mit ihm ohne Maulkorb und Leine durch die Regale des Lebensmittelgeschäfts schlendert. Auf einige Menschen wirkt das zunächst provokant. Doch die Labradordame ist ein Signalhund und unterstützt ihren hörbehinderten Halter.

Die zweijährige Cora erleichtert seit mehr als einem Jahr den Alltag von Schütz. Er müsse sich seither immer wieder rechtfertigen, warum er einen Hund in ein Lebensmittelgeschäft mitnimmt. "Die Reaktionen fallen oft heftig aus, da eine Hörbehinderung nicht auf den ersten Blick erkennbar ist", sagt Schütz. Zudem mangle es in der Bevölkerung an Aufklärung über alle Arten von Assistenzhunden. Mit dem neuen Brustgeschirr - einer blauen Kenndecke mit der Aufschrift "Partner-Hund. Bitte nicht stören" - sei die Akzeptanz aber gestiegen.

Signalhunde noch nicht gesetzlich verankert

Neben Signalhunden gibt es Blindenführ-, Diabetikerwarn-, Service-, Epilepsie- und Kombinationshunde. Die Aufgaben der Signalhunde, im Englischen werden sie "hearing dogs" genannt, sind vielseitig: Sie unterstützen gehörlose und hörbehinderte Menschen beim Verständigen oder Anzeigen verschiedener Geräusche: Sie machen auf Feueralarm, Wecker und Telefone aufmerksam oder sie zeigen das Rufen des Namens des Hundeführers an. Die Tiere werden dazu ausgebildet, physischen Kontakt aufzunehmen und ihre Partner zur Geräuschquelle zu leiten.

Cora löst das, indem sie ihren Halter vorsichtig mit der Schnauze anstupst. Wenn sie das Gefühl hat, dass er nicht versteht, was sie will, nimmt sie etwas nachdrücklicher Körperkontakt auf. Der Labrador wurde auch darauf trainiert, dass er Alarm schlägt, falls zum Beispiel jemand im Badezimmer ausrutscht und sich nicht mehr bemerkbar machen kann. "So etwas ist gar nicht so einfach. Man muss tagelang am gleichen Ort, zur gleichen Uhrzeit die gleichen Kommandos üben", berichtet Schütz.

Ein Signalhund muss also viel leisten, dafür gibt es aber nach jeder richtig ausgeführten Aktion eine positive Bestätigung in Form eines Leckerlies - in allen Formen und Variationen. Das beginnt schon in der Früh, berichtet Schütz: "Der Hund zeigt an, dass der Wecker läutet. Dafür bekommt er einen eigenen Frühstückskeks." Dicke Assistenzhunde wird man trotzdem selten sehen: Die Tiere müssen ihr Gewicht halten, um für ihre Aufgaben fit zu bleiben.

Die Suche nach dem passenden Hund

Interessenten werden zunächst für ein persönliches Gespräch bei der Organisation Partner-Hund Österreich nach Salzburg eingeladen. Danach werden fünf "Charakter-Fragebögen" verteilt, damit sich die Hundetrainer ein detaillierteres Bild machen können. Diese sollten von Menschen ausgefüllt werden, mit denen Hund und Herrchen regelmäßig zu tun haben, wie zum Beispiel Partner, Vorgesetzte, Verwandte oder Nachbarn.

Das Warten auf einen passenden Hund funktioniert nämlich nicht nach dem "first come, first serve"-System, informiert der Signalhundehalter: "Es gibt keine Reihung. Die Organisation entscheidet, welcher Hund am besten zu den Bedürfnissen der Bewerber passt." Im Fall von Manfred Schütz war ein Hund gefragt, der sportlich ist, aber auch in der Stadt zurechtkommt und sich zum Beispiel in den öffentlichen Verkehrsmitteln ruhig verhält.

Talente erkennen

Die natürlichen Fähigkeiten der Hunde werden von ihren Trainern sorgfältig beobachtet, und darauf aufbauend werden die Tiere von klein auf trainiert. Manche Hunde riechen besser, manche hören außergewöhnlich gut, und manche Hunde apportieren gerne. 

Cora ist in der Lage, eigenständig Entscheidungen zu treffen. Sie führt also nicht nur Kommandos aus. Schütz erklärt diese wichtige Veranlagung für Assistenzhunde am Beispiel des Blindenführhundes: "Falls ein Hindernis wie eine Baustelle den gewohnten Weg verstellt, muss das Tier neue Wege suchen. Der Hund trifft also seine eigenen Entscheidungen."

Sponsoren selbst finden

Insgesamt hat so ein aufwendig ausgebildetes Tier einen Wert von 15.000 bis 16.000 Euro. 2.000 Euro müssen die Halter selbst aufbringen, der Rest kommt von Sponsoren. Die Organisation unterstützt zwar bei der Suche nach Sponsoren für den Eigenbeitrag, doch Schütz war es wichtig, das Geld selbst aufzutreiben.

In Österreich ist derzeit nur der Blindenführhund gesetzlich verankert. Aufgrund der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen soll das Bundesbehindertengesetzes nun überarbeitet werden: Mehr Rechte für Assistenzhunde sollen in absehbarer Zeit gesichert werden. Dazu zählen zum Beispiel ein Eintrag im Behindertenpass, die Berechtigung, alle öffentliche Gebäude zu betreten, und finanzielle Förderungen.

Maulkorb behindert Assistenzhunde bei ihrer Arbeit

Durch diesen Mangel hängt viel von der Eigeninitiative der Besitzer ab. Schütz mailte viele Zentralen von großen Lebensmittelkonzernen an und fragte nach, wie der Umgang mit Assistenzhunden gehandhabt wird. Die Antworten seien durchwegs professionell gewesen: "In den Geschäften habe ich jetzt immer alle Papiere mit: meinen Ausweis und auch den Schriftwechsel mit den Zentralen." Das vermeidet lange Diskussionen.

Denn dass Assistenzhunde nirgendwo einen Maulkorb tragen müssen, ist keine Provokation, sondern Notwendigkeit: Mit dieser Einschränkung könnte der Hund schlechter oder gar nicht arbeiten. Cora zeigt ein praktisches Beispiel aus dem Alltag vor: Wenn unbemerkt eine Münze zu Boden fällt, hebt das Tier sie vorsichtig mit der Schnauze auf. Das funktioniert genauso mit Handtaschen, Blindenstöcke oder Schlüsseln, je nachdem, in welchen Bereichen die behinderten Menschen Unterstützung benötigen.

Vierbeiniger Passagier in der Flugzeugkabine

Da die gesetzliche Grundlage noch fehlt, hängt im Alltag viel vom Entgegenkommen der Unternehmen ab. In den öffentlichen Verkehrsmitteln gelten unterschiedliche Bestimmungen, die von Bundesland zu Bundesland variieren. "Die Wiener Linien sind stur. Dort sind nur Blindenführhunde vom Maulkorb befreit", kritisiert Schütz. Die Wiener Linien beriefen sich in einer E-Mail-Korrespondenz mit Schütz darauf, dass die Befreiung vom Maulkorb im österreichischen Bundesgesetz (219. Verordnung: Eisenbahnschutzvorschriften) derzeit nur für den Blindenführhund gesetzlich verankert ist. Es gebe auch keine Pläne, die Hausordnung zu ändern.

Einige österreichische Unternehmen sind in diesem Bereich schon fortschrittlicher: Die ÖBB und die Westbahn gestatten freie Fahrt für Assistenzhunde ohne Maulkorb in ihren Zügen innerhalb Österreichs. Bei der neuen Ticket-App der ÖBB gibt es sogar den Auswahlpunkt "Assistenzhund". Mit den Austrian Airlines darf ein Assistenzhund - nach Absprache - sogar in der Kabine mitfliegen. Auf einem Flug nach Spanien war Cora bereits in der Kabine dabei.

Es sei natürlich verständlich, dass Angestellte überprüfen wollen, warum ein Hund im Geschäft ist, räumt Schütz ein: "Aber es kommt auf den Ton an." Dieser falle gerade in Österreich mitunter scharf aus. Bei Urlauben in den USA und in Spanien habe er ganz andere Erfahrungen gemacht: "Dort gibt es schon mehr Akzeptanz und Vorwissen." (Julia Schilly, derStandard.at, 14.9.2012)