Sonys HMZ-T1 Personal 3D Viewer ist seit November für 799 Euro erhältlich.

Foto: Sony
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Der Traum von der virtuellen Realität schlummert wohl bei jedem Geek irgendwo im Herzen. Einmal so wie Jean-Luc Picard in Star Trek das Holodeck betreten und durch das Tor der computergenerierten Welt in jede beliebige Fantasie steigen - ein Wunsch der vielleicht noch Jahrzehnte nicht erfüllt werden kann. Das ist kein Grund zum Trübsal blasen, denn die IT- und Unterhaltungsindustrie ist immerhin schon am Weg dort hin. In 10 bis 15 Jahren würde Spielgrafik Fotorealismus erreicht haben, meinte Epic Games-Gründer Tim Sweeney in einem Interview 2009. Er muss es wissen, stellt seine Firma doch die meist genutzten Spiele-Engines der Branche her.

Doch die Schönheit digital generierter Schauplätze und Charaktere ist nur ein Element, das zur Eroberung der virtuellen Welt benötigt wird. Und während hier die Entwicklung rasend schnell vorangetrieben wird, stecken die Konzepte zur funktionalen Umsetzung noch in den Kinderschuhen. Seit einem dreiviertel Jahrhundert konsumieren Menschen Bewegtbilder über eine Mattscheibe, die über die Jahrzehnte zwar bedeutend flacher, größer, farbenfroher und schärfer wurde, aber an dem Sehverhalten nichts grundlegendes änderte. Nur vereinzelt wurden dem Massenmarkt Designs zu Teil, die das Erlebnis näher an die Wahrnehmungszentren heranbrachten.

Die Welt ist noch immer eine Scheibe

Während uns der Ton dank Surround-Sound mittlerweile von allen Seiten um die Ohren fliegt, sehen wir das Bild nach wie vor in einem Rahmen und flach wie ein Foto vor uns flackern. Der erste logische Schritt zur kompletten Vereinnahmung lautete daher zunächst, den "Rahmen" möglichst groß zu machen. Ikea musste sogar die Einbauschränke umgestalten: 42 Zoll, 46 Zoll gar 52 Zoll große Fernseher sind in Haushalten keine Seltenheit mehr.

Im zweiten Schritt galt es die stereoskopische 3D-Wahrnehmung auf Film zu bannen. Bis heute ist das Ergebnis nicht wirklich zufriedenstellend. Klar, das 3D-Bild ist schärfer und schöner als vor 20 Jahren, doch wie gehabt benötigt es zur Betrachtung Spezialbrillen, die die Bildqualität genauso wie den Sehkomfort beeinträchtigen.

Somit stehen wir nun vor größeren und sogar 3D-spielenden Fernsehgeräten, aber richtige Fenster oder Tore zu Parallelwelten sind dies noch immer nicht. Sofern man nicht tatsächlich ein digitales 3D-Kino sein Eigen nennt, ist der Spiele- oder Videoabend damit sicher noch kein Ausflug in die virtuelle Realität. Das Bild muss einfach näher an die Linse heran.

Das Geschehen vor die Augen bringen

Das dachten sich auch Hersteller in den 1980er und 1990er-Jahren, als die ersten Virtual-Reality-Brillen auf den Markt kamen. Doch rasch mussten die von Augenschmerzen geplagten Probanden feststellen, dass "näher allein" keine gute Idee ist. Geringe Auflösungen und langsame Bildraten machten Virtua-Boy und wie die Produkte alle hießen, zu handfesten Flops.

Zwanzig Jahre vorgespult in der Gegenwart angelangt, wagt der Elektronikkonzern Sony einen zweiten Versuch. Der "HMZ-T1 Personal 3D Viewer" bringt das Bild abermals direkt vor die Augen, nur dass es dieses Mal gestochen scharf und in kinoreifem 3D sein soll. Damit versprechen die Erfinder gleich zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen.

Viel Technik auf kleinem Platz

Äußerlich erinnert das Head-Mounted-Display an eine klobigere Variante des Visors des Star Trek-Charakters Geordi La Forge. An Stirn und Hinterkopf festgeklemmt, erkennt man dann aber auf den ersten Blick, dass es mit Nostalgie wenig auf sich hat. Sonys Entwickler haben in die Vollen gegriffen und sich zur Bespielung der Augen für zwei nur 0,7 Zoll kleine Screens entschieden, die auf der OLED-Technologie basieren. Diese erlaubt einerseits hohe Kontraste und kräftige Farben und andererseits eine derart hohe Reaktionsschnelligkeit, dass man sich über Schattenbilder und ähnliche bekannte Störungen bei raschen Bewegungen nicht mehr sorgen muss. Ein weiterer entscheidender Faktor ist die Schärfe. Jedes der winzigen Displays löst mit 1280 x 720 Bildpunkten auf. Um Blu-rays und Spiele in Full-HD-Qualität wiederzugeben zu können, sind die Displays zusammen im Stande, 1080p-Signale auszugeben. Bei einem Abstand von wenigen Zentimetern wird so der Eindruck vermittelt, dass man vor einer im Querschnitt 20 Meter messenden Kinoleinwand sitzt. Mit dem Unterschied, dass keine anderen Zuseher rundherum ablenken.

3D, wie es sein sollte

Das Ergebnis ist im besten Sinne vereinnahmend. Egal ob PC-Spiel, 3D-Blu-ray oder Konsolen-Game - das Bild ist lebendig, farbenfroh und gestochen scharf und der Sound kommt direkt aus Surround-Kopfhörern ans Trommelfell. Ihre große Stärke spielt die Dual-Display-Technologie im 3D-Modus aus. Zur Erzeugung der räumlichen Wahrnehmung müssen keine beeinträchtigenden Shutter-Brillen oder Polarisationsfilter zum Einsatz gebracht werden. Anstelle dessen sorgen die getrennt angesteuerten Mini-Screens selbst für den Effekt - flimmerfrei, flüssig und mit voller Farbkraft. Der Effekt ist im gleichen Maße spektakulär, weil man eine gigantische Leinwand vor sich glaubt, und angenehm unauffällig, weil die Inhalte unverfälscht, natürlich rüberkommen.

Tatsächlich ist die Ausgabequalität so gut, dass einzig die 3D-Quelle den entscheidenden Faktor ausmacht. "Green Hornet" sieht auf 3D-Blu-ray dank dem Personal 3D Viewer besser aus, als in jedem IMAX-Kino - so groß ist der Unterschied, ob man stereoskopisches 3D-Filme gefiltert durch eine Spezialbrille oder unverfälscht sieht. Umso schlechter das Quellmaterial, desto weniger überzeugt das Ergebnis natürlich. Bei den getesteten PS3-Spielen "Gran Turismo 5" oder "Killzone 3" mangelte es den Inhalten schlicht und einfach an Auflösung, sobald diese in 3D ausgegeben wurden. Es ist eben 3D wie sie sein sollte - ohne Kompromisse. Schaltet man auf 2D um, sieht man Autos oder Bleikugeln dennoch schöner denn je an einem vorbeirasen.

Tatsächlich ist der Personal 3D Viewer auch eine hervorragende 2D-Leinwand. Die Bildqualität von OLED und die enorm hohe Pixeldichte der Screens lassen sich mit konventionellen Monitoren nicht reproduzieren.

Designtechnische Limitierungen

Was für das Bild zutrifft, kann leider nicht über das Design und den Tragekomfort gesagt werden. Das fängt bei der Fassung für die beiden Mini-HD-Screens an. Diese werden nämlich nicht unmittelbar vor die Augen gehalten, sondern wurden hinter zwei Optiken platziert, die das wahrnehmbare Bild vergrößern. Gleichzeitig sorgen die Linsen dafür, dass man etwas Sehabstand gewinnt und das typische Kino-Feeling erzeugt wird. Mechanische Regler dienen wie bei einem Fernglas zur Anpassung an den persönlichen Augenabstand, damit die zwei getrennten Bilder zu einem Ganzen verschmelzen. Der unerwünschte Nebeneffekt ist, dass es einem wirklich ein wenig so vorkommt, als würde man durch einen Feldstecher auf eine Leinwand schauen, denn die schwarzen Brillenränder können nur gedanklich ausgeblendet werden. (Apropos Brille: Sehhilfen kann man im Regelfall aufgesetzt lassen sofern sich die Maße im Zaum halten.)

Das Bild selbst wird im 16:9-Format dargestellt. Das macht Sinn, weil sämtliche Inhalte darauf zugeschnitten werden, limitiert aber wie ein Fernseher das Sichtfeld des Betrachters. Für die perfekte Illusion, in einer fremden Welt zu sein, müsste das dargestellte Bild leicht über den menschlichen Sehbereich hinausgehen. Dennoch ist dies kein wirklicher Minuspunkt, da für solche Einsatzzwecke schon das Quellmaterial nicht ausgelegt ist.

Geringer Tragekomfort

Der größere Haken ist der geringe Tragekomfort. Einerseits erhält der Screen per Kabel von einer Media-Box das Bildsignal, was die Bewegungsfreiheit einschränkt. Andererseits müssen 600 Gramm High-Tech erst einmal rüttelfest auf dem Kopf fixiert werden. Genauer gesagt wird der Schädel an Stirn und Hinterkopf zwischen die gepolsterten Halterungsbügel des Geräts gespannt. Alles muss wirklich fest sitzen, denn verrutscht etwas, verrückt auch das Bild und die Sicht verschwimmt. So spürt man permanent einen Druck auf der Stirn, der das Sehvergnügen zeitlich limitiert. Zu Bedenken ist zudem, dass die Halterung sowie der maximale und minimale Screen-Abstand zwar für die Mehrheit der Nutzer ausgelegt wurden, aber sich mit Sicherheit nicht auf jeden Kopf abstimmen lassen. Vor allem Kindern oder zarten Erwachsenen kann dies, wie sich im Test zeigte, Probleme bereiten.

I can not move it

Dass der Personal 3D Viewer kabelgebunden ist und keinen Spielraum bei der Fixierung zulässt, trübt die Aussicht auf den nächsten Schritt in Richtung Virtual-Reality: Virtuelle Fortbewegung. Die ideale Verknüpfung, so könnte man meinen, gelänge mit einem Motion-Controller, der dem Anwender schließlich auch vorgaukelt, sich wirklich in einem Spiel zu bewegen. Doch ob mit PlayStation Move oder Kinect in Verbindung - zufriedenstellend wird das Erlebnis bei keinem Bewegungsspiel. Zu unangenehm ist es, gleichzeitig zu hüpfen oder zu schlagen und dabei den Kopf nicht zu sehr zu bewegen. Zudem kann es leicht passieren, dass man abgeschottet von der Umgebung - mit einer unechten Wirklichkeit vor Augen - das Gleichgewicht verliert. Setzt Schwindelgefühl ein, ist der Spaß zur Gänze vorbei.

Auch bei ruhigem Sehverhalten ist die Projektion direkt vor den Augen - trotz unvergleichlicher Bildqualität - anstrengend. Mehr als einen Film am Stück wird man mit dem Personal 3D Viewer aus Ermüdung kaum ansehen wollen/können. Auch die eingebauten Köpfhörer sind hier nicht wirklich zuträglich und überzeugen nicht auf ganzer Linie. Der Surround-Effekt ist zwar merkbar, jedoch klirrt der Sound sehr Bass-schwach aus den Membranen. Alternativ kann der Ton gewiss auch von einer externen Anlage wiedergegeben werden.

Gute Ausstattung, akzeptabler Preis

Die mitgelieferte, unauffällige Media-Box bietet einen Anschluss für beliebige HDMI-Geräte. Damit können HD-Receiver, PCs oder Blu-ray-Player genauso eingesetzt werden, wie Spielkonsolen. Zwar kann offensichtlich nur einer auf einmal in den Genuss des feinen 3D-Bilds kommen kommen, jedoch war Sony so freundlich, die Verteilerbox mit einem HDMI-Output zu versehen. So kann man gleichzeitig über den Personal 3D Viewer als auch über einen Fernseher schauen.

Für ein Gagdet ist der Preis mit 799 Euro nicht gerade gering, allerdings bekommt man auch recht viel für sein Geld. Abgesehen von jeder Menge Hightech und dem Riesen-Bild im Kleinformat liegen die Media Box und ein HDMI-Kabel bei. Auch findet man Gummiblenden zur zusätzlichen Abdunkelung in der Verpackung.

Fazit

Sonys "Personal 3D Viewer" ist nur ein erster (aber wichtiger) Schritt in Richtung Virtual Reality und dabei weder noch besonders billig, noch besonders bequem. Es ist design-technisch definitiv ein unausgefeiltes Gagdet und weit von Massenmarkttauglichkeit entfernt. Doch unter Berücksichtigung aller "Wenns und Abers" bleibt am Ende aller Testtage eines über: Dieses klobige, zwickende Kopf-Display bietet das derzeit mit Abstand schönste 3D-Erlebnis, das für Geld zu haben ist. Befreit von trübenden Spezialbrillen und Filtern und zum Leben erweckt durch gestochen scharfe, farbstarke OLED-Screens lässt es jeden 3D-Fernseher und sogar 3D-Kino matt aussehen. Ob dies allein die Kinderkrankheiten wert ist, muss jeder für sich selbst entscheiden. Zu hoffen ist in jedem Fall, dass der japanische Elektronikkonzern dran bleibt und in ein oder zwei Jahren mit der nächsten Version zeigen kann, wie die virtuelle Zukunft tatsächlich auszusehen hat. (Zsolt Wilhelm, derStandard.at, 19.12.2011)