Britische Kinder ersticken im Materialismus, ihre Eltern arbeiten zu viel und verbringen zu wenig Zeit mit dem Nachwuchs. Zu dieser düsteren Einschätzung kommt eine von der Regierung in Auftrag gegebene Studie von Unicef.

Höherer Mindestlohn gefordert

Erwachsene auf der Insel wirkten "beinahe gefangen in dauerndem Konsum", glaubt die Sozialwissenschaftlerin Agnes Nairn von der Unicef. Der entfesselte Materialismus gehöre zu den tieferliegenden Ursachen der Krawalle, die im vergangenen Monat viele englische Großstädte erschütterten. Die UN-Organisation rät zum Verbot von Kinderwerbung und der Anhebung des Mindestlohns; der Staat solle nicht ausgerechnet an Einrichtungen für Kinder sparen.

Die Studie baut auf einem Vergleich westlicher Industriestaaten auf, bei dem Großbritannien 2007 den 21. und letzten Platz belegte (Österreich: 18). Kinder und Jugendliche wurden über ihre Beziehungen zu Eltern und Gleichaltrigen, ihre Lebensweise und Selbsteinschätzung befragt. Hinzu kamen Daten zur materiellen Situation, Gesundheit und Bildung.

Sozialpolitik

Diesmal verbrachten Nairn und ihre Mitarbeiter viel Zeit mit einzelnen Familien in Großbritannien und verglichen die Ergebnisse mit Schweden und Spanien, die in der Studie Platz 2 und 5 belegt hatten. In den Vergleichsländer sei "der obsessive Konsum beinahe gar kein Problem", analysiert Nairn. Die Sozialpolitik in Schweden ziele darauf ab, Eltern Zeit für die Familie zu geben. Während in Spanien die Väter ähnlich lang arbeiten wie auf der Insel, gibt es dort bessere Verbindungen zur erweiterten Familie und mehr Mütter, die sich hauptberuflich um Kinder kümmern.

In allen drei Ländern sagen die Kinder, dass materielle Güter sie nicht glücklich machen. Dennoch werde der britische Nachwuchs mit Spielzeug und Elektro-Junk überschüttet. Die zuständige Staatssekretärin Sarah Teather zeigte sich interessiert, konkrete Maßnahmen wollte die Liberaldemokratin nicht ankündigen. (Sebastian Borger, DER STANDARD Printausgabe, 15.9.2011)