Wien - Die Kunsthalle Wien hat ihren früheren leitenden Kurator Thomas Mießgang "aus schwerwiegenden Gründen" fristlos entlassen. Eine entsprechende Meldung der Tageszeitung "Die Presse" bestätigte Mießgang nun. Er sei am Montag an seinem Arbeitsplatz völlig überraschend von einem Anwalt erwartet worden, berichtete Mießgang, der seine Entlassung arbeitsrechtlich anfechten will. In dem ihm übergebenen Entlassungsschreiben wird ihm u.a. die widerrechtliche Weitergabe interner Daten vorgeworfen.

"Man hat offenbar einen Sündenbock für die in letzter Zeit häufigen kritischen Medienberichte über die Kunsthalle gesucht", glaubt Mießgang. "In mir hat man aber den Falschen gefunden." Laut Entlassungsschreiben habe der gerichtlich zertifizierte IT-Sachverständige Walter J. Jaburek im Auftrag der Kunsthalle hausinterne Datenflüsse durchforstet und sei dabei auf Vorgänge gestoßen, die offenbar für die Kunsthalle eine Entlassung rechtfertigten.

Wildes Geflecht an Vorwürfen

In der Kunsthalle bestätigt man, dass man aufgrund des festgestellten und auch zur Anzeige gebrachten "massiven Datendiebstahls" einen IT-Sachverständigen beauftragt habe, die Datenflüsse im Haus zu überprüfen. Dabei sei jedoch "kein Monitoring der E-Mails der Mitarbeiter" erfolgt. Die Ergebnisse der Überprüfung seien der Kunsthalle am 27. Mai übergeben worden und hätten zur Entlassung von Mießgang geführt. Neben der Datenweitergabe seien auch Urheberrechtsverletzungen in Form illegaler Musikdownloads in großem Umfang sowie Download von pornografischem Filmmaterial festgestellt worden. 

Mießgang wehrt sich

Die Tausch-Software sei vom Systemadministrator der Kunsthalle installiert worden, rechtfertigt sich Mießgang. Er habe Musik im Zuge seiner Kuratorentätigkeit verwendet und habe sich im Umfeld einer Pornografie-Ausstellung für die Arbeitsweise der Pornoindustrie interessiert.

"Ich war elf Jahre ein loyaler Mitarbeiter und habe fast alle Texte geschrieben, die je unter dem Namen Gerald Matt erschienen sind - obwohl das keineswegs in meiner Job Description als leitender Kurator vorgesehen gewesen wäre", sagt Mießgang, der bereits vor zwei Jahren gemeinsam mit anderen Kuratoren intern auf demokratische Defizite innerhalb des Betriebes hingewiesen hatte. So gebe es in der Kunsthalle bis heute keinen Betriebsrat. Mießgang war seither nicht mehr als Kurator, sondern in der Stabsstelle Kommunikation tätig.

Werdegang

Thomas Mießgang, geboren 1955, arbeitete lange als Kulturjournalist, ehe er 2000 an die Kunsthalle Wien wechselte. Als Kurator gestaltete er zahlreiche Ausstellungen, etwa "Viva la Muerte", "Africa Screams", "Punk. No One is Innocent", "Raymond Pettibon. Whatever you're looking for you won't find it here" oder "Tropicália. Die 60s in Brasilien".

In der Causa um Vorwürfe gegen die Amtsführung von Kunsthallen-Direktor Gerald Matt wird für Mittwochabend die Übergabe einer Gebarungsprüfung erwartet. (APA)