Rhythmus und Bewegung dominieren die Serie "P. P. (Perspectiva Prozessualis)": Hier ein Gemälde von 2006.

 

Foto: Siobhán Geets

Wien - Der einzige Sinn abstrakter Kunst sei, Kunst als nichts anderes als sie selbst zu präsentieren, sie reiner, leerer, absoluter zu machen, sagte Ad Reinhardt. Und ein anderer großer Abstrakter, Robert Ryman, sagte über die (Un-)Farbe Weiß, sie greife nicht ein, sei neutral, lasse malerische Aspekte deutlicher hervortreten als andere Farben. Zwei Zitate, die am Anfang von Mainly White ("Hauptsächlich Weiß") stehen und die die malerische Tradition, in der Joseph Heer seine pure Malerei verfolgt, gut in Worte fassen. Mainly White, so lautet der Titel der jüngst im Residenz Verlag erschienenen Publikation zum Werk des 1954 in Wien geborenen Malers Joseph Heer.

Auf rohen Leinwänden setzt dieser die Farbe, durchscheinend oder milchig, stumpf oder glänzend. In ihrer flüssigen Konsistenz sorgt sie stets für eine Art Unschärfe, einen unwirklichen Charakter. Dennoch: Die Gemachtheit des Bildes wird nie negiert, sie zeigt sich in der Struktur der Leinwand wie in jedem einzelnen, die Bewegung der malerischen Geste offenlegenden Pinselstrich. Das Bild verleugnet nie, aus Träger und Oberfläche zu bestehen. Die Malerei ist also nichts als sie selbst und dennoch weiter Assoziationsraum, den die spirituelle, lichte Kraft des Weiß stiftet.

Im Katalog widmen sich drei Kunsthistoriker, Pilar Ribal, David Galloway und Christoph Doswald (Texte englisch/spanisch), drei jüngeren Werkserien des in Wien und Mallorca arbeitenden Künstlers: Temps, Perspectiva Prozessualis und den Soft Bay-Bilder. Die drei Serien stehen auch im Zentrum von Heers Ausstellung in der Galerie Artmark, die mit insgesamt 13 Arbeiten sehr kompakt geraten ist. Die breiten Streifen in den atmosphärischen Bildern der Serie Temps ("Wetter") erinnern etwa mit ihren Ockertönen, Grau und Gelb an Landschaftshorizonte - an Äcker, Meere, Schneefelder und Himmel. Die seit 1989 verfolgte Gruppe Perspectiva Prozessualis konzentriert sich auf die Dynamik der Pinselstriche.

Und schließlich die bis ins Jetzt reichenden Softbay-Serie. Aus dieser das Weiß im Wettstreit mit anderen Farben zeigenden Serie werden drei jüngste Beispiele gezeigt. Eines davon steht geradezu solitär. Auf einer fast homogenen grauen Fläche schlägt ein grüner Pinselstrich eine tiefe Kerbe, sorgt für Tiefe. Der stets offene Malgrund hat sich geschlossen. Eine Wende? Vielleicht. Dazu müsste man die kommenden Bilder Heers voraussehen können. (Anne Katrin Feßler / DER STANDARD, Printausgabe, 28.4.2011)