Graz - Ein niederländisch-österreichisches Forscherteam unter Beteiligung des Grazer Hämatologen Albert Wölfler hat neue Einsichten in den Ausreifungsprozess von Blutstammzellen gewonnen: In ihrer in der Fachzeitschrift blood veröffentlichten Studie stellten die Wissenschafter fest, dass erste Weichen zwar schon sehr früh gestellt werden, diese Entwicklung aber auch noch längere Zeit umkehrbar ist, heißt es in einer Mitteilung der Medizinischen Universität Graz.

Während aus embryonalen Stammzellen alle Zellen eines Organismus entstehen können, gehen aus Blutstammzellen die verschiedenen Blutkörperchen hervor. Die Frage, welche Faktoren dazu führen, dass sich aus einer Blutstammzelle eine bestimmte Blutzelle ausdifferenziert, beschäftigt die Hämatologen des Erasmus Medical Center in Rotterdam und der Abteilung für Hämatologie an der Grazer MedUni. Damit könnte u.a. die Entstehung der akuten myeloischen Leukämie (AML), einer bösartigen Erkrankung des blutbildenden Systems mit einer massiven Vermehrung unreifer Zellvorstufen im Knochenmark und Blut besser verstanden werden.

Blutstammzellen können sich über Zwischenstufen zu allen möglichen Blutzellen bilden. Die Fähigkeit, sich zu unterschiedlichen Zelltypen ausformen zu können, bezeichnet man als Plastizität. Ein wichtiger Faktor, der darüber entscheidet, ob sich ein weißes oder rotes Blutkörperchen oder Blutplättchen entwickelt, ist der Transkriptionsfaktor C/EBPa. Seine Hauptfunktion ist die Differenzierung der Zellen in Granulozyten. "C/EBPa ist für uns interessant, weil das zugrundeliegende Gen in einem bestimmten Prozentsatz bei akuten myeloischen Leukämien mutiert ist", so Wölfler. "Wenn das Gen verändert ist, können die Zellen sich nicht mehr zu fertigen Granulozyten differenzieren und bleiben unreif."

Erste Festlegung bleibt lange relativ

Die Forscher konnten die Aktivität des Gens im Mausmodell indirekt sichtbar machen, indem dieses durch ein Gen für ein bakterielles Enzym ersetzt wurde, das zu einem fluoreszierendes Protein führte. Dabei zeigte sich, dass schon in ganz frühen Stadien der Zelllinie die Expression von C/EBPa startet und ständig zunimmt. "Bisher dachte man, dass die Stammzellen in dieser frühen Phase der Blutbildung noch einheitlich sind", so Wölfler. "Wir konnten zeigen, dass die Zellen schon zu diesem Zeitpunkt heterogen sind und eine erste Festlegung auf eine bestimmte Zelllinie schon sehr früh stattfindet", so Wölfler.

Es zeigte sich auch, dass C/EBPa nicht nur in den Vorläuferzellen der Granulozyten zu finden ist, sondern auch - in einem geringen Prozentsatz - in den anderen Zelllinien. Die Expression dieses Transkriptionsfaktors zu einem sehr frühen Blutzellreifungs-Stadium führt also nicht zu einer absoluten, sondern nur zu einer relativen Festlegung der weiteren Entwicklung. Der absolute "point of no return", ab dem eine Differenzierung in eine bestimmte Richtung unumkehrbar ist, sei in der Blutzellentwicklung erst relativ spät erreicht. Noch ist nicht geklärt, ob zelleigene Mechanismen darüber entscheiden, oder ob äußere Einflussfaktoren im Spiel sind. (red/APA)