Wien - Buhlade? Gneazl? Zezn? Äh, wie bitte? Auf gut Hochdeutsch ist von einer Person mit zerzausten Haaren, einem kleinen, dicken Kerl und einem heiklen Menschen die Rede. Nachzuschlagen in der Sammlung niederösterreichischer Mundart-Ausdrücke Sou redn mia dahoam von Astrid Degasperi.

17 Jahre hat die 59-Jährige in dem Bundesland, aus dem ihre Großmütter stammten, Mundartausdrücke gesammelt. Rund 19.000 hat sie gefunden. Ihr Werk ist vor wenigen Wochen in der zweiten Auflage erschienen. Damit, dass die ersten 2500 Stück bald verkauft sein würden, hatte die Wienerin nicht gerechnet. "Vielleicht ist Mundart aber auch wieder en vogue", sagt sie. Grund zur Annahme gibt ihr ein Blick in die Musikszene: Der Mühlviertler Deutsch-Rap-Song Oida Taunz! von Trackshittaz hält sich seit Wochen in den Ö3-Charts, genauso wie die Ballade Vo Mello Bis Ge Schoppornou vom Vorarlberger Holstuonarmusigbigbandclub.

Ist Mundart also nicht, wie seit eh und je prophezeit, am Aussterben? "Der Dialekt stirbt vermeintlich seit hunderten Jahren aus", sagt Manfred Glauninger, der am Institut für Germanistik an der Uni Wien tätig ist. Wenn Popmusikgruppen aus Österreich im Dialekt singen, kann das aus Sicht des Sprachwissenschafters mehrere Ursachen haben. Manche wollen einfach authentisch wirken. Nicht "nach der Schrift" zu singen könne aber auch dazu dienen, rebellisch und unangepasst zu wirken.

"Echter" Dialekt

Bei Laien sei die Meinung verbreitet, es gebe den "echten" Dialekt, den es zu bewahren gelte, sagt Glauninger, der auch am Institut für Österreichische Dialekt- und Namenlexika der Österreichischen Akademie der Wissenschaften forscht. Dass manche Menschen deshalb tausende Wörter sammeln, findet der Experte "im Prinzip anerkennenswert". Linguistisch seien solche "methodisch zu hinterfragenden Sammlungen" aber oft nur bedingt relevant. Die Zunahme derartiger Aktivitäten weise aber auf eine Art Boom hin.

Wobei der selbstverständliche Dialektgebrauch in Westösterreich besonders stark zur regionalen Identität gehöre. Der Status von Dialekt nehme innerhalb Österreichs von Westen nach Osten hin ab. Und Wien sei in Sachen Mundart sowieso anders als das übrige Österreich. Glauninger vertritt die Hypothese, dass der Dialekt sich besonders in der Bundeshauptstadt aus der Alltagskommunikation zurückzieht und damit verstärkt eine andere Funktion übernimmt. Weg vom Alltäglichen, hin zum Auffälligen.

Das zeige sich etwa darin, dass sich Mundartausdrücke verstärkt in der Werbung oder der Kunst finden. Oder etwa auch auf den öffentlichen Aschenbechern bei den Mistkübeln: "Host an Tschick?" (Gudrun Harrer/DER STANDARD-Printausgabe, 28.12.2010)