An der diesjährigen Feier am Wiener Heldenplatz nahmen keinerlei offizielle IKG-Vertreter teil.
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Wien (APA) – Als Höhepunkt des Gedenkens an die Befreiung vom Nationalsozialismus hat am Mittwoch zum 12. Mal das "Fest der Freude" am Wiener Heldenplatz stattgefunden. Für Bundespräsident Alexander Van der Bellen war die Feierstimmung aber getrübt durch die massive Zunahme antisemitischer Vorfälle in den vergangenen Monaten. Bei Antisemitismus und Judenhass dürfe es "null Toleranz" geben, betonte er in seiner Rede. Die Israelitische Kultusgemeinde (IKG) blieb der Feier aus Protest fern.

IKG blieb Feier fern

Hintergrund dieses Schritts war der Aufmarsch eines Aktivisten mit einer Palästina-Flagge bei der internationalen Befreiungsfeier in der KZ-Gedenkstätte Mauthausen am Sonntag. Das Mauthausen Komitee (ÖMK), das sowohl diese Gedenkfeier als auch das "Fest der Freude" organisiert, hat aus Sicht der IKG "unzureichend" auf diesen "Affront gegen alle während der Shoah Ermordeten" reagiert. Deshalb nahmen keinerlei offizielle IKG-Vertreter an der Feier teil.

Der MKÖ-Vorsitzende Willi Mernyi erklärte gleich zu Beginn seiner Begrüßungsworte nationale Symbole und Flaggen für "unerwünscht". Jede Vereinnahmung und jeden Missbrauch dieser Feierlichkeiten lehne er ab, insbesondere gegenüber den Opfern der Shoah – "ob bei der Gedenkstätte Mauthausen oder hier am Heldenplatz oder einem anderen Gedenken", betonte er.

Bundespräsident Van der Bellen rief in seiner Rede am Mittwochabend zu Zivilcourage auf. "Wir müssen Judenhass und Antisemitismus mit null Toleranz entgegentreten. Entschieden. Jeden Tag. Überall." Hinter den Statistiken zu antisemitischen Übergriffen stünden Menschen, die beschämt, beschimpft und im schlimmsten Fall auch körperlich attackiert würden. Dass etwa wie vor einiger Zeit ein Bub mit Kippa in der Straßenbahn von drei Jugendlichen mit dem Tod bedroht werde, "darf in Österreich einfach nicht passieren", betonte er. "Jüdisches Leben gehört zu Österreich und ganz besonders gehört jüdisches Leben zu unserer gemeinsamen Heimat Wien."

Van der Bellen unterstrich in seiner Rede die Null-Toleranz gegen Antisemitismus.
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"Recht und Gerechtigkeit" als zentrales Thema

Inhaltlicher Schwerpunkt der diesjährigen Feier, wie stets musikalisch begleitet von den Wiener Symphonikern, war das Thema "Recht und Gerechtigkeit im Nationalsozialismus". Diese beiden Begriffe seien während der Nazi-Zeit häufig genug in keinerlei Beziehung mehr zueinander gestanden, erinnerte Van der Bellen. Das "straffreie, sadistische Morden" in den Konzentrationslagern sei ebenso wie die sogenannten Nürnberger Rassegesetze oder Gesetze und Verordnungen, die etwa Juden das Sitzen auf Parkbänken verboten, geltendes Recht gewesen – "und gleichzeitig geltendes Unrecht".

Gesetze seien von Menschen gemacht. Die in diesem Jahr anstehenden Wahlen seien damit auch eine Entscheidung darüber, "in welchem Rechtsstaat wir leben wollen. Denn wir wissen jetzt: Recht allein schützt nicht vor Ungerechtigkeit". Umso wichtiger sei das Eintreten für Werte wie jene der liberalen Demokratie oder der gleichen Chancen für alle, "die unseren Gesetzen immer zugrunde liegen sollten", so Van der Bellen.

Organisiert wird das "Fest der Freude" vom Mauthausen-Kommittee.
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MKÖ-Vorsitzender Mernyi hatte zuvor ebenfalls vor einer illiberalen Demokratie gewarnt, die nur den Anschein einer Demokratie erwecke "und von der einige in Österreich träumen". Die anwesenden Zeitzeugen, die von Mernyi traditionell als einzige Gruppe explizit begrüßt wurden, nannte er in diesem Zusammenhang "Mahnerinnen und Vorbilder. Ihr beweist die Notwendigkeit und die Richtigkeit von Solidarität und Demokratie."

Zeitzeuginnen-Bericht als Höhepunkt

Höhepunkt des "Fests der Freude" war die Rede von Zeitzeugin Rosa Schneeberger aus der Volksgruppe der Sinti. Detailreich schilderte sie ihre glückliche Kindheit in Wien-Floridsdorf, dann 1941 der Bruch: Im Alter von fünf Jahren wurde sie mit ihrer Mutter und ihren Geschwistern verhaftet und in das sogenannte "Zigeuner-Anhaltelager" Lackenbach deportiert. Dort musste sie zusehen, wie ihr Großvater in einem Massengrab verscharrt wurde. Rosa Schneebergers Vater wurde nach Deportationen nach Dachau, Buchenwald und Mauthausen schließlich ebenfalls nach Lackenbach gebracht, weil die Aufseher dort Musiker zur Unterhaltung suchten. Er schaffte es auch, dass seine Familie – anders als so viele Verwandte im Lager – nicht umgebracht wurde.

Der Abend gipfelte in der Rede von Zeitzeugin Rosa Schneeberger.
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1945 wurde das Lager schließlich von sowjetischen Truppen befreit. Erst seit Kurzem gibt Rosa Schneeberger ihre Erlebnisse in diesen vier Jahren als Zeitzeugin weiter, auch wenn es eine große Belastung sei, so die 88-Jährige – "dass die Jugend das hört, dass das nicht wieder vorkommt".

Das "Fest der Freude" wurde das erste Mal im Jahr 2013 begangen, damals wurde es als Antwort auf das umstrittene "Totengedenken" des Wiener Korporationsringes vom Mauthausen Komitee organisiert. (APA, 8.5.2024)