Bei so viel Eleganz fragt man sich, warum die Cabrios verschwinden – zugunsten von immer mehr SUVs auf unseren Straßen.
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Was macht der Wind, wenn er nicht weht? Und was macht der Mensch, wenn er eine frische Brise in sonnigen Gefilden nehmen will, und es flautet? Ganz einfach: Fenster runter, Luftkapperl (Aircap) einfahren, schon kommt das äolische Element in Bewegung. Oder den Windschal (Airscarf) einschalten, wenn die Umgebungsluft nicht so lauschig ist, und den Nacken sanft und warm besäuseln.

Die Bestrebungen der Aerodynamiker sind klarerweise genau andersrum gepolt, eben dahingehend, den ganzen Wirbel, nämlich die ganzen Luftwirbel, draußen zu halten. Mercedes macht das nicht zum ersten Mal, hat das auf Inselsächsisch Aircap benannt, neuerdings das zum Serienumfang zählende System – das aus dem Windschott hinter den Sitzen sowie der zugleich mit diesem ausfahrenden Lamelle auf dem Querträger zwischen den A-Säulen besteht – aber weiter perfektioniert. Und apropos Wirbel: Man kann sich auch angenehm bei offenem Verdeck und Autobahntempo unterhalten, ohne schreien zu müssen.

Das "Aircap" besteht aus der ausfahrbaren Lamelle vorne und dem Windschott hinten, die Aerodynamiker haben ganze Arbeit geleistet, Luftverwirbelungen und Windgeräusche zu vermeiden.
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Bei der Fahrpräsentation zeigten die Techniker mittels Augmented Reality am "lebenden" Objekt, wie die Luftströmung sich jeweils verhält, sie verhält sich, wie gesagt, zivilisiert und frisurenfreundlich.

Und im geschlossenen Aggregatzustand? Geht's noch stiller zu, wie in einem Fahrzeug mit Blechdach. Die Zeiten der Festdachcabrios sind längst vorbei, dazu ganz unten noch ein Wort, der CLE trägt eines aus drei bis vier Lagen und ist ganzjahrestauglich, die Farben Schwarz, Rot, Grau stehen zur Auswahl, und geöffnet respektive geschlossen wird dieses Textilverdeck in 20 Sekunden. Überrascht einen der Aprilregen in der Stadt: kein Problem, der Vorgang klappt bis 60 km/h.

Wohnliche Atmosphäre oder doch schon Lichtsmog? Mercedes nutzt die Möglichkeiten des LED-Ambiente-Lichts besonders intensiv.
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Hinten sitzt es sich so passabel, dass das Cabriolet bedenkenlos als Viersitzer genutzt werden kann, im C-Klasse-Cabrio ging es beengter zu, und wenn Sie sich fragen, ob Sie Ihr Zeugs für den Wochenendausflug unterbringen oder nur Zahnbürstel und Kreditkarte: Bei offenem Dach fasst der Kofferraum 295 Liter, im Langstreckenreisezustand – Dach zu – 385.

In ästhetischer und fahrerischer Hinsicht zählt der CLE zur Abteilung Genussmittel. Ein bildschönes Cabriolet wie aus dem Musterbuch: lange Motorhaube, muskulöse Backen hinten, eleganter Gesamtkorpus. Und auch innen kann man nur sagen: Stil. Voll. Wenn auch so weit schon bekannt aus der C-Klasse.

Der Kofferraum hat bei offenem und geschlossenem Dach unterschiedliches Fassungsvermögen, und er lässt nach vorne hin erweitern.
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Was es dort nicht gibt und zeigt, wie die Mercedes-Tüftler mitdenken: Der zentrale Schirm lässt sich in der Neigung verstellen, sollte die neugierig drauflugende Sonne einmal Blendeffekt bewirken. Ein Tastendruck, und aus der normalen Neigung von 15 Grad bewegt er sich in 40-Grad-Stellung. Ganz konsequent ist das aber nicht umgesetzt, Zwischenpositionen sind nämlich nicht einstellbar.

Alles mit Mildhybrid-Unterstützung

Im Antriebskapitel setzt Mercedes immer noch auf Vielfalt, wer will, kann zum Diesel greifen, 145 kW (197 PS) leistet der Selbstzünder, und dank 48-Volt-Mildhybrid-Unterstützung – mit 17 kW (23 PS) starkem Riemen-Starter-Generator – fährt schon der sich recht geschmeidig und akustisch unauffällig.

Motorisch stehen ein Diesel und drei Benziner zur Auswahl – da ist die eben erst hinzugekommene AMG-Version CLE 53 4matic+ (449 PS) noch gar nicht eingerechnet.
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Dieselbe mildhybride Unterstützung widerfährt auch den drei Benzinern, das Sahnehäubchen, wie wir im Schlagobersland so sagen, ist dabei der 3,0-Liter-Reihensechszylinder mit 280 kW (381 PS): seidenweich und so kultiviert, wie es sich die zahllosen verbliebenen Sympathisanten des Verbrennungsmotors für solch ein Cabriolet wünschen mögen. Unterstützt den Cruising-Charakter ebenso vorzüglich wie die zwischendurchige Nachfrage nach ungestümem Vorwärtsdrang, würde aber akustisch durchaus mehr Emotion vertragen.

Dreifach die Auswahl im Fahrwerkskapitel: Als Basis ein Komfortfahrwerk, nomen est omen, die anderen wären das Sportfahrwerk und jenes mit adaptiven Dämpfern namens Dynamic Body Control, und außer den Basismotorisierungen sind alle CLEs Allradler.

Die Preise? Das Auto kostet natürlich eine Lawine, günstigstenfalls sind 72.370 Euro fällig (CLE 200; 150 kW / 204 PS), aber quasi nackig, wie das Band es schuf. Jaja, schon gut, Mercedes halt, mag man dazu sagen, aber generell werden alle Autos inzwischen so viel teurer, dass die Preissteigerungen die Inflation gar noch überholen, so der Eindruck.

Die andere Sache ist die: Gab es bisher jeweils ein Cabriolet auf Basis der C- und E-Klasse (und drüber eins der S-Klasse), übernimmt das mit der Kennung CLE nun beider Aufgaben. Ganz oben für das Zielpublikum "noch reicher und noch schöner" harrt dann der Roadster SL, geschmiedet von der Hochleistungsabteilung AMG, die sich auch den offenen CLE vorgeknöpft haben, und das war's. Der einstige Oben-ohne-Krösus Mercedes hat nur noch zwei Fahrzeuge im Portefeuille.

Das ganzjahrestaugliche Textildach öffnet und schließt in 20 Sekunden - bis Tempo 60 km/h.
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Der Konkurrenz geht's nicht viel besser: An direkter Konkurrenz zum CLE Cabrio zu benennen wären von BMW das 4er Cabrio (offen gibt's dann noch 8er Cabrio, Z4 sowie, zum Einstieg, das Mini Cabrio) und von Audi das A5 Cabriolet, letztes verbliebenes der Ingolstädter.

Zu guter Letzt noch die Heckansicht.
Mercedes-Benz / Lars Brauer

Wie man sieht, zieht sich die Fahrzeugkategorie in die Nische zurück, aus der sie einst kam, bevor 1989 Mazda alle aufmischte mit dem MX-5 (ja, den gibt es nach wie vor): ins Luxussegment. Der Wind wird da bald arbeitslos. Immerhin sind die argen Asphaltgeschwüre verschwunden, die der Festdachcabriotrend einst begünstigt hatte. CLE Cabriolet, wie gesagt: Genussmittelabteilung. (Andreas Stockinger, 7.5.2024)