Geld
Eine unbekannte Organisation ließ sogenannte Läufer auf Kosten von Opfern Kredite beantragen. Nun wurde einer von ihnen verurteilt.
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Auf der Anklagebank sitzt Ali S. (Name geändert), angeblich wohnhaft in der Wiener Donaustadt. Ob das wirklich so ist, will die Vorsitzende des Schöffensenats wissen. Er bejaht. "Spannend", sagt die Richterin skeptisch. Ganz glauben will sie ihm das nicht, wenngleich er dort gemeldet ist. Als die Polizei vor einigen Monaten seine angebliche Wohnung durchsuchte, fand sie dort wildfremde Menschen vor. Und Ali brauchte gleich drei Anläufe, um einen Löffel zu finden, als ein Beamter ihn darum bat. Aber Ali S. beteuert, dass er sich sehr wohl dort aufhalte und damals, als die Polizei mit ihm in der Wohnung war, noch bei seinen Eltern gewohnt habe.

Überhaupt will der 22-Jährige, der vom Rechtsanwalt Martin Mahrer vertreten wird, nun reinen Tisch machen. Die Liste der Straftaten, für die Ali S. sich am Montag vor dem Wiener Straflandesgericht verantworten musste, ist lang: Demnach hat er, so der Vorwurf, sich mehrfach als jemand anderes ausgegeben. Mit gefälschten Ausweisen hat er Kredite in Höhe von tausenden Euro beantragt. Und er hat dutzende Male iPhones bei Handyshops eingeheimst, indem er teure Tarife unter fremder Identität abschloss.

Geldprobleme und Drogensucht

Er habe Geldprobleme gehabt, sagt Ali S. als Begründung. Er sei drogenabhängig gewesen, habe nicht viel nachgedacht und sich schnell bereichern wollen. Über den Messenger Telegram sei er von einer Verbrecherorganisation angeheuert worden. Die Unbekannten hätten ihm das schnelle Geld versprochen: Schritt für Schritt sollte er ihren Anweisungen folgen und dafür die Hälfte des Geldes behalten können. Dass die gesamte Verbrechensserie letztlich auf ihn zurückzuführen sein würde – er ist schließlich der einzige der Täter, der Bilder von sich vorlegte –, habe er zu dem Zeitpunkt nicht bedacht. Wohl auch, weil er damals viele Drogen konsumiert habe, wie er einräumt. "Auf Drogen denkt man nicht so weit", sagt er.

Möglich wurde der Beutezug durch mehrere Besuche an unterschiedlichen Standorten der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK). Dort forderte er jeweils neue Handysignaturen unter falschem Namen und mit gefälschtem Ausweis an. Wie die Polizei moniert, soll es an keinem der Standorte zu einer Überprüfung der Identität gekommen sein.

Masterminds bleiben auf freiem Fuß

Mithilfe der Handysignatur konnten die Täter Behördenwege durchführen. Sie meldeten die Meldeadresse der Opfer in leerstehende Wohnungen an, damit diese von den Machenschaften nichts mitbekommen. Dann beantragte Ali die Kredite und schloss die Handyverträge ab. Letztlich wurde Ali aufgrund eines Fehlers erwischt: Wohl versehentlich eröffneten die Haupttäter zweimal ein Bankkonto mit dem gleichen Foto, aber unterschiedlichen Namen.

Die Betrugssoftware der Bank schlug an, Ali S. wurde via Gesichtserkennungssoftware ausfindig gemacht. Die Masterminds hinter dem Beutezug, die auch Ali S. anheuerten, sind hingegen nach wie vor auf freiem Fuß. Und die Behörden konnten die Fälscherwerkstatt, die sich vermutlich in Wien befindet und in der die gefälschten Personalausweise hergestellt wurden, nicht ermitteln.

24 Monate Haft

Gut möglich also, dass sie nach wie vor ihr Unwesen treiben. Der Beutezug von Ali S. ist aber vorerst zu Ende. Am Montag entschuldigte er sich bei den Opfern, ihm sei nicht bewusst gewesen, welches Leid seine Taten bei diesen ausgelöst haben. Er gelobte, allen Betroffenen Schadenersatz zu zahlen.

Am Ende verurteilt ihn das Schöffengericht zu einer Haftstrafe von 24 Monaten, davon acht unbedingt. Rund vier davon hat er bereits in Untersuchungshaft abgesessen. Zudem soll er eine ambulante Suchthilfetherapie absolvieren. Als strafmildernd gilt, dass Ali S. vollumfänglich geständig war und Reue zeigte und außerdem zu dem Zeitpunkt seiner Taten noch unter 21 Jahre alt war. Negativ angerechnet wurden ihm die große Zahl der Delikte und die hohe Schadenssumme. Ali S. nahm das Urteil an, es ist somit rechtskräftig. (Muzayen Al-Youssef, 29.4.2024)